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Neue Berufsunfähigkeits-Versicherung spart nicht an Leistungsauslösern

 

 

8.2.2016 – Der neue Tarif „BU Protect“ der Bayerischen wurde mit vollmundigen Werbeversprechen lanciert. Leistungen und Definitionen machen die Berufsunfähigkeits-Versicherung tatsächlich zu einem Hochleistungstarif. Er zahlt bei vorübergehender Krankschreibung, bietet Wiedereingliederungs-Hilfen und eine Dienstunfähigkeits- und Infektionsklausel. Auffällig sei eine „unechte“ Arbeitsunfähigkeits-Klausel, meint Versicherungsmakler Philip Wenzel in einem Gastbeitrag.

 

Wer seine Marketingabteilung behaupten lässt, die „BU Protect Prestige“ sei „die beste Berufsunfähigkeits-Versicherung aller Zeiten“, der hängt die Latte recht hoch. Zumindest jedoch kann man der Premium-Berufsunfähigkeits- (BU-) Versicherung derNeuen Bayerischen Beamten Lebensversicherung AG, die im Markt nur noch als die Bayerische auftritt, nicht vorwerfen, dass sie an Leistungsauslösern sparen würde.

 

 

Der Tarif leistet drei Monatsrenten, maximal 6.000 Euro, bei erstmaligem Eintritt einer unbefristeten BU und weitere 6.000 Euro beziehungsweise drei Monatsrenten, wenn die BU auf einen Unfall zurückzuführen ist.

 

An dieser Stelle sei angemerkt, dass es immer wieder verwunderlich ist, dass eine unfallbedingte BU oder auch ein unfallbedingter Tod oder Krankenhausaufenthalt einen anderen Bedarf auslösen sollen, als die als gewöhnlich Bezeichneten.

 

Schwere Krankheiten als Auslöser

 

Bei Eintritt einer versicherten schweren Krankheit wird für sechs Monate die versicherte BU-Rente bezahlt, und das ohne weitere Prüfung einer Berufsunfähigkeit. Zu den schweren Krankheiten werden gezählt: Herzinfarkt, Krebs, Schlaganfall, chronisches Nierenversagen, Organ- oder Knochenmarks-Transplantationen, Lähmungen von Gliedmaßen, Koma und hochgradige Sehbehinderungen.

 

Es ist anzunehmen, dass wenigstens die Hälfte dieser Krankheiten zu einer bedingungsgemäßen BU führen würde. Das bedeutet allerdings auch, dass es die andere Hälfte vielleicht nicht tun würde – weshalb diese Ergänzung sicherlich eine Verbesserung für den Kunden darstellt. Es wäre für die „beste BU aller Zeiten“ aber wünschenswert, wenn die Höhe individuell wählbar wäre.

 

Hilfen zur Wiedereingliederung

 

Hat eine unbefristet anerkannte BU für wenigstens drei Jahre bestanden und gilt der Vertrag für noch ein weiteres Jahr, so erhält der Versicherte bei Aufnahme einer Berufstätigkeit oder Umschulungsmaßnahme eine Wiedereingliederungs-Hilfe in Höhe von sechs Monatsrenten. Die Kapitalleistung ist auf 12.000 Euro begrenzt.

 

Ersetzend hierfür können Selbstständige eine Hilfe bei der Umorganisation in gleicher Höhe in Anspruch nehmen. Und selbstverständlich leistet der vollmundig als „beste BU aller Zeiten“ angekündigte Tarif auch bei Pflegebedürftigkeit.

 

Nachvollziehbare Definitionen

 

So sehr die großspurige Werbung auch zu strenger Kritik anstachelt, soll nicht vernachlässigt werden, dass das Bedingungswerk größtenteils sehr anschaulich und konkret ausformuliert ist.

 

Die Definition der konkreten Verweisbarkeit ist beispielsweise leicht verständlich. Dabei weicht die Bayerische allerdings um fünf Prozent vom gängigen Standard ab, da hier maximal 25 Prozent Einkommenseinbuße im Einzelfall noch vertretbar sein könnten. Dieses Verhältnis findet sich auch in der Umorganisationsklausel wieder.

 

Eine abstrakte Verweisung ist fünf Jahre nach Ausscheiden aus dem Berufsleben möglich. Allerdings gilt Mutterschutz, Elternzeit und Arbeitslosigkeit nicht als Ausscheiden aus dem Berufsleben, was die Klausel wieder etwas aufwertet.

 

Einzelne Klauseln und Leistungsfälle

 

Die Dienstunfähigkeits- (DU-) Klausel ist allein an die Entscheidung des Dienstherren gebunden, weshalb es sich hier um eine echte DU-Klausel handelt. Der Versicherte würde erst durch konkrete Verweisung aus der Leistung fallen. Die Klausel gilt ausdrücklich für die Berufsgruppe Richter.

 

Die Infektionsklausel verspricht Leistung bei einem sechsmonatigen vollständigen behördlichen Tätigkeitsverbot und ist nicht auf bestimmte Berufe beschränkt. Über den Nutzen dieser Klausel darf spekuliert werden (VersicherungsJournal 11.1.2016). Allerdings sind Gesetze und vor allem die Auslegung der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen (AVB) nicht in Stein gemeiselt, weshalb eine Infektionsklausel dem Kunden Verlässlichkeit bietet und damit immer besser ist als keine.

 

Studenten, die die Hälfte der Regelstudienzeit noch nicht absolviert oder im Gegenteil die Regelstudienzeit um mehr als fünf Semester überschritten haben, werden im Leistungsfall abstrakt auf Berufe verwiesen, die sie mit ihren erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ausüben könnten.

 

Wer mindestens 50 Jahre alt ist, und wenn die restliche Vertragsdauer unter zehn Jahre beträgt, erhält auch eine Leistung, wenn er unbefristet die volle Erwerbsminderungsrente aus der Deutschen Rentenversicherung erhält.

 

Erleichterte Leistung bei Arbeitsunfähigkeit

 

Am interessantesten ist aber mit Sicherheit die neu hinzugekommene Leistung bei Arbeitsunfähigkeit (AU). Für die Leistung ist eine Beantragung der BU-Rente nicht notwendig, was den Zugang deutlich erleichtert. Der Versicherer verlangt zusätzlich zu den Krankschreibungen, von denen wenigstens eine von einem Facharzt sein muss, eine Diagnose. So ist es ihm möglich, eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder eventuell bestehende Ausschlüsse zu prüfen.

 

Was diese AU-Klausel von den am Markt bestehenden unterscheidet, ist ihre Formulierung. Es heißt hier, Arbeitsunfähigkeit liege vor, wenn die versicherte Person für sechs Monate aufgrund von Krankheit oder Körperverletzung ihren zuletzt ausgeübten Beruf nicht ausüben konnte – und dies durch (fach-) ärztliche Bescheinigungen belegt wurde.

 

Dieses „und“ kennt man bereits aus der vom Analysten Michael Franke so benannten „unechten“ DU-Klausel (VersicherungsJournal 25.11.2002), weshalb man hier analog von einer „unechten“ AU-Klausel sprechen könnte.

 

„Unechte“ AU-Klausel

 

Es ist mit einigem Recht anzunehmen, dass diese Formulierung nicht einfach unbedacht gewählt wurde. Zum einen haben es bisher elf Anbieter ohne Probleme hinbekommen, diese Formulierung zu meiden; zum anderen sind die AVB der Bayerischen BU-Versicherung ansonsten sehr sauber definiert.

 

Zu guter Letzt verwendet die Bayerische in der günstigen Variante, der „Smart-BU”, tatsächlich die „unechte“ DU-Klausel (VersicherungsJournal 21.4.2015) und ab der „Komfort-Variante” die „echte“ DU-Klausel. Den Produktentwicklern dürfte also durchaus bewusst sein, welche Bedeutung das Wörtchen „und“ in einem Bedingungstext haben kann.

 

Es darf allerdings angezweifelt werden, dass diese „unechte“ AU-Klausel in der Praxis die gleiche Macht entfalten könnte, wie es bei der DU-Klausel der Fall ist. Denn ein medizinischer Befund ist höchstwahrscheinlich schwieriger anzugreifen, als die laienhafte Interpretation eines medizinischen Befundes durch den Dienstherren.

 

Alle Spekulation ist aber hinfällig, da die Bayerische sich auf Nachfrage bereit erklärt, den Passus zu ändern, um Missverständnisse zu vermeiden. Es sei nie Absicht gewesen, die Leistungsvoraussetzung zweizuteilen und sich eine eigene Prüfung vorzubehalten.

 

Hoch angesiedelte Leistungen

 

Die Analyse zusammenfassend zeigt sich, dass die Premium-Variante der neuen SBU der Bayerischen tatsächlich ein Hochleistungstarif ist. Vertrieblich interessant ist, dass es darunter angesiedelt noch die Tarife „Komfort-Plus“, „Komfort“ und „Smart“ gibt. Sie stellen abgespeckte, günstigere Varianten dar, die für die meisten Berufe attraktiver sind.

 

Was der Tarif etwas vermissen lässt, sind unterstützende Maßnahmen bei der Antragstellung oder bei einer beruflichen und medizinischen Reintegration. Die Bayerische stellt diese Leistung zwar in der Praxis bereit, allerdings wäre eine bedingungsgemäße Regelung wünschenswert.

 

Der Aktuar zahlt 61,23 Euro (78,50 Euro brutto) monatlich für 1.000 Euro Rente bei zwei Prozent Leistungsdynamik bis zum Endalter 67. Der Beitrag für den Mechatroniker liegt bei 112,20 Euro (143,84 Euro brutto).

 

Philip Wenzel

 

Der Autor ist Kaufmann für Versicherungen und Finanzen (IHK)